Liebe Leserin, lieber Leser,
neben den extremen und zunehmend verzweifelten Markteingriffen der US-Notenbank (Fed) zur Stützung des angeschlagenen Bankensektors ist die Stimmung zum wichtigsten Faktor an den Börsen avanciert. Um dies zu erkennen, sind keine theoretischen Abhandlungen nötig. Ein Blick auf die Preisbewegungen im Energiebereich reicht aus. Am 22. Juni wies ich an dieser Stelle auf die Ausbildung eines hausseträchtigen Rundbodens bei Öl sowie Erdgas hin und stellte das Wikifolio OEL KANN KOHLE BRINGEN vor. In den folgenden sieben Wochen stieg der Preis für Natural Gas um 13,8 Prozent und für WTI-Öl um 16,4 Prozent. Das Energie-Wikifolio konnte um 34 Prozent zulegen. https://www.wikifolio.com/de/de/w/wfoelkohle
Kurz bevor das Wikifolio richtig in Fahrt kam, sind die meisten Anleger ausgestiegen. „Wie so oft“, ist man – nicht nur – versucht zu sagen und zu schreiben. Denn es zeigt wieder einmal die extreme Ungeduld vieler Akteure an den Börsen. Gehört doch Geduld zu den wichtigsten Tugenden in diesem Geschäft. Aber die Emotion ist meist Sieger und der Anleger dann Verlierer. Bei der negativen Stimmung für Öl und Gas im Frühjahr investierte dort nur eine Minderheit, die dann auch noch mehrheitlich nach wenigen Wochen und vor dem starken Anstieg die Flinte ins Korn warf.
Stehen deutsche und US-Aktien vor einem (Mini-)Crash?
Dabei verspricht ein Engagement meist Erfolg, wenn man bei sehr schlechter Stimmung antizyklisch zugreift und Geduld mitbringt. Umgekehrt sollten Sie bei sehr positiver Stimmung und nach einem deutlichen Anstieg, der die Kurse weit über die gleitenden Durchschnittslinien hievte, vorsichtig werden und an (Teil-)Gewinnmitnahmen denken. Wie jetzt beim DAX und an der US-Börse, die nicht zuletzt deshalb so stark zulegen konnten, weil die Fed Geld in den Markt pumpt(e), um viele auch charttechnisch angeschlagene Banken vor dem Absturz zu bewahren. Unmittelbar nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA selbst – was allein schon ein Menetekel ist – hat die Ratingagentur Moody’s gerade zehn kleine bis mittelgroße Banken im ganzen Land herabgestuft und dies mit „finanzieller Anspannung“ und „Belastungen, die ihre Rentabilität untergraben könnten“ begründet. Sechs weitere Banken stehen unter Beobachtung, und weitere elf wurden von „stabil“ auf „negativ“ herabgestuft. Ein gefährlicher Cocktail ist entstanden, weil die an den großen Wendepunkten notorisch schiefliegenden Kleinanleger aktuell sehr optimistisch für die Börsen eingestellt sind.
Im Buch Dumm, dümmer, deutsch – Eine humorvolle Abrechnung mit dem Land, in dem wir gerne lebten https://c.kopp-verlag.de/kopp,verlag_4.html?1=711&3=0&4=&5=&d=https%3A%2F%2Fwww.kopp-verlag.de%2Fa%2Fdumm-duemmer-deutsch-10 habe ich den Unterschied zwischen „Dumb Money“ und „Smart Money“ so beschrieben: „Es gibt die vielen mit dem wenigen Geld und die wenigen mit dem vielen Geld. Die zweite Gruppe kennt man kaum, wer dazugehört, ist diskret. Diese wenigen Wissenden kaufen, wenn die sprichwörtlichen Kanonen donnern oder (…) das Blut aus der Bild-Zeitungsschlagzeile tropft.“
Warum die Fed im Dilemma steckt und Gold in den Startlöchern steht
Die US-Notenbank hat sich in eine Zwickmühle manövriert. denn sie pumpt Unmengen Liquidität, um eine normale und gesunde Aktienmarktkorrektur zu vermeiden, weil sie im Gefolge einen Kollaps des zunehmend maroden Bankensektors fürchtet. Einerseits müssen sie Liquidität in den Markt lenken, andererseits hat die Fed jetzt das Problem, dass ein Teil davon in den Energiesektor zu fließen beginnt und die Öl- und Gaspreise wieder steigen. Damit heizen die New Yorker Zauberlehrlinge groteskerweise die Inflation an, die sie zu bekämpfen vorgeben.
Beim Gold konnte die Fed dreimal den großen und nachhaltigen Ausbruch über 2000 Dollar vereiteln. Doch die Notenbankster werden auch bei der Drückung des Goldpreises, wodurch sie die meisten Rohstoffpreise plus Inflation in Schach halten wollen, scheitern. Nicht nur, weil Triple Tops rar sind. Die jahrelange Manipulation wird dafür sorgen und Garant sein, dass nach dem Überwinden des letzten Hochs bei 2090 Dollar der Deckel wegfliegt und eine außergewöhnlich starke und dauerhafte Rallye einsetzt. Wahrscheinlich startet ein neuer Anlauf schon im August, nachdem die heutige Veröffentlichung der US-Verbraucherpreise den Goldpreis nicht schwächen konnte. Wie stark und schnell es von einem Augusttief nach oben geht, hängt auch von der Entwicklung an der US-Börse ab. Im Ideal- und wahrscheinlichsten Fall sorgt ein schwacher Aktienmarkt dafür, dass sich die Fed weitere Zinserhöhungen verkneift und die Anleger in Richtung Sicherheit umschichten – also vor allem in Staatsanleihen und Gold. Neue Allzeithochs in diesem Jahr und 3000 Dollar in 2024 wären dann keine Überraschung.