Liebe Leserin, lieber Leser,
die am meisten und mit der höchsten Spannung erwartete Entscheidung der US-Notenbank seit Jahren wird am heutigen Mittwochabend (20:00 Uhr MEZ) verkündet. Alle Augen richten sich darauf, ob die Fed die Zinsen um 25 oder 50 Basispunkte senkt. Dieser New Yorker Zins-Zirkus ist wie eine Nachrichtensendung im Fernsehen – „unterhält“ und verblödet das Publikum, lenkt vor allem vom Wesentlichen ab. Die Finanzwelt und die „Märkte“ fiebern der Entscheidung entgegen, manche Börsenhändler und Fondsmanager ziehen sich vorsichtshalber Ultra-Pampers an. Denn heftige Marktreaktionen sind nahezu sicher, aber keineswegs sicher prognostizierbar. Selbst eine Zinssenkung um 50 Punkte bedeutet nicht zwingend, dass der Dollar weiter in die Knie geht. Denn die Finanzmärkte könnten dieses Szenario schon eingepreist haben mit der „unlogischen“ Folge eines nach der negativen Nachricht steigenden Dollar. Was diese Woche zudem brisant macht, ist der vierteljährliche Verfall von Optionen. Bei einer dieser „großen Vier“ ist die Positionierung größer als normal. Dabei handelt es sich um Spekulationen, Absicherungen etc. im Wert von mehreren zehn Milliarden Dollar, die auslaufen und von den Marktmachern ausgeglichen werden müssen.
Zocker, denen das Casino nicht genügt, haben Freude am Nervenkitzel solcher Tage und können bei sekundenschnellen Transaktionen mit etwas Glück einen Schnitt machen. Mit „Spekulieren“ oder „Anlegen“ hat dies jedoch nicht viel zu tun. Weitblick und eine erfolgversprechende Strategie sind unverzichtbar. Wer sich extrem kurzfristigem Trading verschreibt, agiert wie ein Maulwurf und hat schnell den entsprechenden Horizont. Was die Fed heute sagt oder tut, dürfte sowieso keinen nachhaltigen Einfluss auf die Märkte haben. Die wichtigste Triebkraft für den weiteren Verlauf werden die aktuellen Kriege sein – auch wenn man dies bislang an der Börse ausblendet.
Mit der richtigen Strategie kann kurzfristiges Sperrfeuer Sie nicht erschüttern
Der Standardfehler von unbedarften Börsenneulingen und Realitätsverweigerern ist kaum auszurotten. Sie wollen schnell reich werden und kaufen hochspekulative Instrumente mit einem zu hohen Anteil am Vermögen. Dies ist der sicherste Weg, um aus einem großen Vermögen ein kleines zu machen. Denn dabei wird verkannt, dass Derivate sich meist nur dann positiv entwickeln, wenn der Basiswert sofort, kräftig und ohne größere Unterbrechungen steigt – was äußerst selten der Fall ist. Nicht nur in Abwärts- oder Seitwärts-, auch in Aufwärtsphasen mit hohen Schwankungen und Pausen fallen Hebelprodukte meist kräftig, denn die Zeit nagt am Wert. Zumal die Banken diese Produkte mehr und mehr so konstruieren, dass Käufer nur geringe Gewinnchancen haben. In weit über 90 Prozent der Fälle verlieren Anleger mit Derivaten. Deshalb sollten – besonders die in Deutschland verfügbaren – Derivate bei Privatanlegern lediglich 1 bis 3 Prozent des Portfolios ausmachen und diesen Umfang auch in den seltenen starken Trendphasen kaum übersteigen.
Ein strategisch gut strukturiertes und auf Edelmetalle ausgerichtetes Portfolio sieht beispielsweise so aus: Als Würze können die erwähnten 1 bis 3 Prozent der Anlagesumme in hochriskanten Derivaten dienen. Die große konservative Kernposition gehört in die physischen Edelmetalle. Zwei Drittel – also 60 bis 70 Prozent sind die Richtschnur. Gold als das trendweisende und von den An- und Verkaufsspannen sowie der Fungibilität beste Edelmetall sollte dabei übergewichtet werden. Wer in den letzten 20 bis 25 Jahren auf Gold in physischer Form setzte, hat blendend und mit großem Abstand am besten abgeschnitten. Edelmetallaktien waren dagegen ein Trauerspiel. Die Tatsache, dass der Goldpreis in der vergangenen Woche gegenüber dem Euro und dem Australischen Dollar neue Allzeithochs erreichte, untermauert, dass der zyklische Bullenmarkt des Goldes mindestens bis weit ins nächste Jahr hinein anhält. Silber wird wahrscheinlich in der künftigen Euphorie- und damit Endphase der Edelmetallhausse besser als Gold abschneiden, kostet aber durch die größeren Preisschwankungen mehr Nerven, weist hohe Spannen zwischen An- und Verkauf auf, ist mit Steuern behaftet und verursacht schnell Lagerprobleme. Der Kauf via Zollfreilager ist ein Ausweg, der sich auch für die nun aufholenden Edelmetalle Platin und Palladium anbietet.
Gold- und Silberaktien haben besonders seit 2011 enttäuscht, sind nun aber historisch einmalig günstig im Vergleich zu den Edelmetallen, was einen Depotanteil von 25 bis 30 Prozent rechtfertigt. Wer noch keine Minenaktien hat, sollte diese in Korrekturen kaufen, einen Teil bis zur Euphoriephase – die ich in zwei bis drei Jahren erwarte – halten und den Rest traden nach dem Motto: Scale-In und Scale-Out.
Ergänzung am 19.09. nach der US-Zinssenkung
Mit einer Reduktion um 0,50 Prozent hat die Fed gestern ihr erwartetes Zinssenkungsprogramm eingeleitet. Damit wurde 1. bestätigt, dass die Wirtschaft in Schwierigkeiten ist, die Stagflation kann auch kaum übersehen werden und 2. der letzte Nagel in den Sarg für den Dollar geschlagen. Wahrscheinlich wird es in diesem Jahr noch zwei Zinssenkungen von jeweils 0,25 % geben. Aber an den Finanzmärkten wird man sich mehr den Kopf darüber zerbrechen, wie die Fed im nächsten Jahr agiert. Der Fed Funds Futures-Markt sagt momentan voraus, dass die Fed Funds Rate von heute 5,00 % bis Ende nächsten Jahres auf etwa 3,00 % sinken wird. Der laufende Kriegszyklus kann diese Aussicht leicht durchkreuzen. Am 18. September kündigte die Fed neben der Zinssenkung um 0,50 % auch eine Fortsetzung ihrer quantitativen Straffung (QT) im derzeitigen Tempo an. Diese sieht eine Obergrenze von 25 Milliarden Dollar pro Monat für den Verkauf von Schatzpapieren und eine Obergrenze von 35 Milliarden Dollar pro Monat für den Verkauf von hypothekarisch gesicherten Wertpapieren vor. Wahrscheinlich wird die Fed ihre Vorgehen im ersten Quartal 2025 ändern und QT beenden.
Aktien, Währungen und Edelmetalle fluktuierten nach der Zinsentscheidung stärker, zeigten jedoch final keine Trendumkehr. Mit Ausnahme des Dollars steigt im heutigen Tagesverlauf alles. Mein Kommentar in den Wikifolios am 12. September bleibt gültig: „Gold und besonders Silber stehen vor einem starken Preisausbruch nach oben. 2700-2800 und 35-40 Dollar sind das nächste Zwischenziel. Behalten Sie das große Bild im Auge. Bei den Edelmetallen haben wir es mit multiplen Ausbrüchen aus langjährigen Formationen zu tun. Die Tagesschwankungen dienen nur dazu, die Anleger zu verwirren, zu frustrieren und abzuschütteln – wie in den letzten Wochen. Silber und die Minenaktien haben großen Nachholbedarf gegenüber Gold, wenn das führende Edelmetall Richtung 2800 Dollar strebt. Ich erwarte, dass das Gold-Silber-Verhältnis in den Bereich von 70:1 fallen wird. Dies bedeutet einen Silberpreis von 40 Dollar – wahrscheinlich vor dem Jahresende.„
Der Goldmarkt hat noch viel Luft nach oben und dafür eine Menge Zeit, denn normalerweise erreicht das Edelmetall erst dann seinen zyklischen Höhepunkt, wenn es eine Rezession und die Reaktionen der politischen Entscheidungsträger darauf eingepreist hat.
Da wir in außergewöhnlich bewegten und gefährlichen Zeiten leben, wird auch der Aufstieg der Edelmetalle von zwischenzeitlichen Stolperschritten begleitet sein, weshalb eine dosierte Vorsicht immer ratsam ist und gute Warnzeichen wichtig sind. Achten Sie deshalb für Ihre Trading-Positionen auf die Aktie des führenden Goldproduzenten Newmont, die auch im Sieben Sieger Wohlstands-Depot vertreten ist und seit 26. März einen Zwischengewinn von 56 Prozent aufweist. Ein Tagesschlusskurs unter 50 Dollar würde signalisieren, dass für den gesamten Sektor eine größere Korrektur begonnen hat.